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Monday, March 20, 2006

Web 2.0

Inhalt

Einleitung

Web 2.0 ist in aller Munde. Charles Fränkl erklärte in einem Interview mit der FAZ am 13.3., AOL gehe „ganz klar in Richtung Web 2.0“. Doch was genau versteht man unter „Web 2.0“ (oder auch „Internet 2.0“), und wie unterscheidet es sich vom „Web 1.0“? Teilweise wird so viel und so wenig qualifiziert darüber gesprochen, dass Leute schon nach Web 3.0 verlangen. Begriffe wie „Ajax“ werden genannt, „social web“, XML, XHTML ... Web 2.0 ist eine Bündelung verschiedener Elemente. Auf der Grundlage aktueller Technologien wie Ajax und Web Services werden neue web-basierte Dienste möglich, so dass man Anwendungen bauen kann, die Menschen vernetzen und daher unter „social web“ fallen. D.h. wir betrachten eine neue technische Herangehensweise, die das Bauen neuer Produkte ermöglicht, die es Leuten möglich machen, auf eine neue Art und Weise zu interagieren. Fangen wir mit der Technik an.

Ajax und Web Services

Ajax ist ein Kunstwort für ein Bündel von Technologien, die es möglich machen, Anwendungen zu bauen, die im Browser fast so gut und schnell reagieren, wie man es vom Desktop gewöhnt ist. Ajax steht dabei für „Asynchronous JavaScript+CSS+DOM+XMLHttpRequest“ – man benutzt Web-Standards wie CSS für die Formatierung der Inhalte, XML für die Daten, XHTML für die Struktur, DOM und JavaScript fürs Verhalten. Das Geheimnis liegt darin, dass nicht – wie bei herkömmlichen Web-Anwendungen – immer ganze Seiten vom Server gezogen werden, wenn der Nutzer eine Aktion auslöst, sondern nur die Teile aktualisiert werden, die sich geändert haben. Schön dargestellt ist das in diesem Artikel von Adaptive Path, die auch den Begriff geprägt haben. Nette Beispiele sind Google Suggest - hier werden mögliche Suchbegriffe erzeugt, während man tippt – oder auch Google Maps.

Als „Web Services“ werden Anwendungen bezeichnet, die auf Servern im Netz liegen und über eine öffentliche API (Application Programming Interface) ansprechbar sind: Normalerweise kann man nicht einfach mit bestimmten Daten in eine Anwendung hineinrufen – die Anwendung kann mit den Daten nichts anfangen. Dadurch, dass die Entwickler von Web Services ihre APIs offen legen, können andere Entwickler diese Web Services nutzen und Anwendungen bauen, die die Leistung vieler spezialisierter Web Services bündeln. Auch wird es möglich, die Web Services „unter der Haube“ auszutauschen, wenn es neue und bessere Web Services gibt.

Das ist der technische Teil. Der Produktteil ist mindestens ebenso spannend.

Social Web

Im Web 1.0 gab und gibt es eine Menge spezialisierter Dienste, die sich jeweils auf den Nutzer und die Kommunikation mit einem einzelnen Empfänger konzentierten – z.B. Online Banking oder Nachrichten-Seiten. Die Nutzung beschränkte sich i.d.R. auf das Lesen von Inhalten. Trotz Tim Berner-Lees Vision vom Webs – „Everyone’s a publisher“ – war es bislang eben doch nicht so einfach, Inhalte ins Netz zu stellen, und die meisten Nutzer beschränkten sich auf die passive Informationsaufnahme.

Durch die neuen Dienste werden die Nutzer in die Lage versetzt, Inhalte selbst zu erzeugen und zu publizieren und sich untereinander zu vernetzen: Blogs und Wikis wie blogspot.com, Online-Communities wie OpenBC, LinkedIn oder MySpace, Foto-Sharing via Flickr, Musik-Entdecken über Last.FM. Elemente in Flickr, Last.FM u.ä. werden mit Metadaten in Form von Etiketten oder Stichworten versehen, so genannten „Tags“, um sie besser katalogisieren und durchsuchen zu können. Dadurch, dass die meisten dieser Dienste ihre APIs offen legen, ist es möglich, weitere Produkte „on top“ zu bauen, die Funktionalitäten aus den Original-Produkten mit neuen Aspekten verbinden. Ein schönes Beispiel ist der Flickr Related Tag Browser - hier werden die Tags, die Leute ihren Flickr-Bildern mitgegeben haben, mit den Tags anderer Leute zusammengezogen und in Beziehung gesetzt, so dass man von einem Tag zum nächsten surfen kann. Oder eBay, die ihren Inhalt offen zur Verfügung stellen, so dass Angebote wie Andale darauf aufsetzen und ihren Nutzern erweiterte Reporting-Tools zur Verfügung stellen können.

Ein weiterer Faktor im Web 2.0 ist das Aufbrechen von Inhalten in Informationshappen, die sich immer neu kombinieren lassen und gar nicht unbedingt von nur einer Seite stammen müssen. Viele Seiten – Nachrichtenseiten genauso wie Blogs – stellen ihre Inhalte inzwischen als RSS-Feeds („Really Simple Syndication“) via XML zur Verfügung; andere Seiten können diese Inhalte integrieren, oder Nutzer verwenden externe RSS-Reader, um sich ihre persönlichen Nachrichten-Seiten zusammenzustellen.

Wichtig ist bei all diesen Produkten der soziale Charakter – Menschen teilen etwas über sich mit, und andere Menschen reagieren darauf, stellen eigene Inhalte ein, zitieren einander. Oder sie entdecken Gemeinsamkeiten und Neuigkeiten, weil Systeme ihnen Vorschläge machen, welche Dinge sie sich ggf. einmal näher ansehen sollten, weil andere, die ihnen ähnlich sind, diese Dinge viel nutzen. Amazons Empfehlungen waren hier ein erstes kommerziell sehr erfolgreiches Beispiel; aber auch das Social Bookmarking über del.icio.us funktioniert sehr gut – wenn man nach einem Link sucht, findet man nicht nur diesen Link, sondern auch noch andere, die von anderen Nutzern mit ähnlichen Tags versehen worden sind (siehe z.B. mein Del.icio.us).

Was bedeutet all das konkret für die Arbeit am Interaction Design?

Implikationen fürs Interaction Design

Anwendungen werden vernetzter – und die Nutzer erwarten ein verändertes Verhalten. Das klassische Interaktions-Paradigma des Internet passt nicht mehr für Web 2.0-Anwendungen. Im Web 1.0 (oder auch „Web 1.5“ mit dynamischen Seiten) bestanden Web-Anwendungen aus Seiten, die über Links miteinander verbunden waren. Als Protokoll stand nur http (Hypertext Transfer Protocol) zur Verfügung, d.h. man konnte immer wieder nur die Anfrage an den Server schicken, „schick mir doch eine neue Seite“. Fürs Anwendungsdesign bedeutete das, dass Aktionen Pop-ups öffneten oder dafür sorgten, dass die Seite neu geladen wurde, z.B. beim Umsortieren von Elementen in einer Liste.

Im Web 2.0, v.a. durch Ajax, kann das Denken in statischen Seiten abgelöst werden durch das Denken in Anwendungszuständen. In Abhängigkeit von Eingaben oder anderen Nutzeraktionen können dynamisch Wertelisten gezogen werden, Elemente auf der Seite ein- und ausgeblendet werden etc. Das heißt fürs Seitendesign, dass wir nicht mehr von einer mehr oder weniger statischen Sitemap ausgehen können, die der Nutzer durchläuft, sondern für jedes Element der Seite überlegen müssen, welche Zustände es unter welchen Bedingungen haben kann. Sinnvollerweise definiert man die Elemente der Seite in allen Zuständen getrennt voneinander und erzeugt dann für eine Auswahl möglicher Zustände beispielhafte Seiten.

Für unsere Rolle bedeutet das, dass wir immer weniger uns nur um die visuelle Gestaltung der Produkte kümmern und immer stärker die Abläufe innerhalb der Anwendungen definieren. Also: von visual zu interaction design.

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